Wilma Aden-Grossmann: Kita -Arbeit und Strukturen im Wandel.

Vortrag, gehalten auf dem Kongress „Invest in Future“  Stuttgart, den 23. 10. 2012

Zusammenfassung

In meinem Vortrag wird die Entwicklung der Kindertagesstätten von den 1960er Jahren bis heute dargestellt. Dabei richte ich mein Augenwerk vor allem auf die Struktu­ren der Institution und auf die Arbeitsanforderungen an Leiterinnen und Erzieherinnen.

Vor etwa 50 Jahren besuchten nur etwa ein Drittel aller Kinder einen Halbtagskin­dergarten und der Anteil der Ganztagseinrichtungen lag unter 8 Prozent. Das geringe An­gebot an Kindergartenplätzen war famlienpolitisch gewollt, denn eine Berufstätigkeit von Müttern war nicht erwünscht. Man glaubte, dass nur die ausschließliche Betreuung und Erziehung des Kleinkindes in der Familie seinem Wohl diene.

Die Tätigkeit der Kindergärtnerin genoss kein hohes Ansehen und für die Arbeit schien „die Liebe zum Kind“ als Qualifikation ausreichend. So kam es, dass der Anteil der Fachkräfte in den Kindergärten unter 50 Prozent lag.

Ein Umschwung in der öffentlichen Wahrnehmung des Kindergartens setzte in den 1970er Jahren ein, als der „Strukturplan für das deutsche Bildungswesen“ (1970) den Kindergarten dem Bildungswesen zuordnete und die neue Frauenbewegung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eintrat und erstmals einen Ausbau von Kinderkrip­pe und Kindergärten massiv forderte.

Aber erst seit 1996 hat jedes Kind vom dritten Lebensjahr an das Recht auf einen Kin­dergartenplatz, und es erfolgte schrittweise eine Erweiterung des Angebots, so dass heute fast alle Kinder ab dem dritten Lebensjahr eine Kindertagesstätte besuchen. Es ist zu erwarten, dass auch das Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren steigen wird, weil 2013 der Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren in Kraft treten wird.

In diesem Vortrag wird gezeigt, dass durch diese Entwicklungen die Aufgaben für Er­zieherinnen und Leiterinnen umfangreicher und anspruchsvoller geworden sind, und es wird gefragt, ob und inwieweit die Träger diesen veränderten Arbeitsbedin­gungen Rechnung tragen.

Kindergärten in den 1950er und 1960er Jahren

Versetzen wir uns zurück in die 1960er Jahre. Damals war die Familienpolitik von ei­ner traditionellen Auffassung der geschlechtsspezifischen Aufgaben- und Rollen­verteilung in der Familie geprägt. Die gesetzlichen und fiskalischen Entscheidungen gingen davon aus, dass allein die Familie, insbesondere Mutter für die Versorgung der Kinder verantwortlich ist. Ein überhöhtes und idealisiertes Bild der sich aufop­fernden Mutter wurde damals auch von den Medien verbreitet. Die Hausfrauenehe war gesellschaftlich akzeptiert und galt als die ideale Form der Ehe schlechthin, und nur wenn ausschließlich die Mutter das Kind betreue, so glaubte man, würde es sich gesund entwickeln. Die Zahl berufstätiger Mütter war dementsprechend gering.

Die Zeit von etwa 1950 bis Mitte der 1960er Jahre war eine besonders familienbe­tonte Phase. Sie ist gekennzeichnet durch den Anstieg der Eheschließungen und der Geburtenüberschüsse. „Das bürgerliche Familienmodell, die sog. Hausfrauenehe war in jener Zeit wie nie zuvor stark verbreitet.“ (Fünfter Familienbericht, 1994, S. 70)

Einen großen Einfluss auf die Bewertung der Mutterrolle hatte das Gutachten von John Bowlby „Mütterliche Zuwendung und geistige Gesundheit“, das er 1951 im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation erstellte. Bowlby stellte darin fest, dass die mütterli­che Zuwendung für die psychische Gesundheit genau so wichtig sei wie Vit­amine und Proteine für die physische Gesundheit. Mutterliebe sei nicht ersetzbar und der einzig wichtige Faktor bei der Erziehung. Obwohl Bowlby nicht explizit auf die fa­milienergänzende Erziehung in Kindertageseinrichtungen einging, wurde sein Be­richt herangezogen, um die Ablehnung von Kinderkrippen, Kindergärten und Kinder­horten zu begründen. Für Kinder sei die Betreuung und Erziehung durch die Mutter das beste und nur wenn die Familie versagte, sollten institutionelle Angebote bereit­gestellt werden. Dieser Argumentation folgte auch die Familienpolitik der CDU-Re­gierungen in den 50er und 60er Jahren. Ein Ausbau der familienergänzen­den Einrich­tungen sollte nicht erfolgen, denn durch die Bereitstellung von mehr Plätzen in Kin­dertageseinrichtungen würde man der Müttererwerbstätigkeit, die nicht erwünscht war, Vorschub leisten. Nach den Vorstellungen des Familienministeriums sollten Kinderkrippe und Kin­dergarten nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. In den 1960er Jahren standen nur für jedes dritte Kind zwischen drei und sechs Jahren Plätze in Kindergärten zur Verfügung, wobei das Angebot an Ganz­tagsplätzen je nach Region und Stadt zwischen 10 und 18 Prozent lag.

Besonders knapp war das Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahre.

Plätze in Kinderkrippen 1978

Bundes-gebiet West-Berlin Hamburg Frankfurt Braun-schweig
1,40% 18,90% 8,80% 4,00% 3,40%

 

In kleineren Städten und Gemeinden, ja sogar in mittelgroßen Städten wie z. B. Limburg gab es überhaupt keine Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren. Angesichts der Diskrepanz zwischen der Nachfrage und der viel zu geringen Zahl von Ganztagsplätzen in Kinderkrippen und Kindergärten bestimmten soziale Kriterien über die Aufnahme von Kindern. Diese waren in der Regel:

  • Erkrankung der Mutter,
  • die Überlastung der Mutter durch eine große Kinderzahl
  • eine unabdingbar notwendige Erwerbstätigkeit
  • Alleinerziehende Mütter

Folglich waren mehr als ein Drittel der Müt­ter alleinerziehend, ein weiteres Drittel waren Eltern mit Mi­grationshintergrund. schließlich befanden sich Kinder in den Ganztagseinrichtungen, deren Eltern gering verdienend waren. In der Öffentlichkeit wurde die Betreuung des Kleinkindes in der Krippe als ein Notlösung angesehen und Mütter der Krippenkinder wurden diskriminiert, weil sie nicht auf eine Berufstätig­keit verzichten, woll­ten bzw. konnten, wenn sie nicht von Sozialhilfe leben wollten.

Der Beruf der Kindergärtnerin bzw. Erzieherin ist ein typischer Frauenberuf. 1969 schrieb Helge Pross, dass die Berufsentscheidung junger Mädchen nachhaltig von den Vorstellungen beeinflusst wird, dass der angestrebte Beruf dem weiblichen We­sen entsprechen müsste.

Die Wesensvorstellungen, Widerschein der tatsächlichen Verhältnisse, legen Frau­en vor allem auf erzieherische, pflegende, dienende Arbeiten fest. Insofern Mädchen sich an ihnen orientieren, haben sie nur scheinbar frei gewählt.“

(Helge Pross 1969, S. 39.)

Damals war die Verweildauer der Kindergärtnerin in ihrem Beruf meist kurz, da es vielen jungen Frauen vor allem darum ging, die Jahre zwischen dem Schulabschluss und der Heirat bzw. der Geburt des ersten Kindes sinnvoll zu füllen. Zudem galt die Ausbildung als eine gute Vorbereitung auf die Aufgaben als Mutter und Hausfrau.

Die hohe Fluktuation und die ungenügende Zahl an Ausbildungsplätzen in den Fachschulen führten dazu, dass Erzieherinnen fehlten. Folglich stellte man Mitarbeit­er mit geringerer Qualifikation oder ohne pädagogische Ausbildung ein. Nur 45 Pro­zent waren Kindergärtnerin bzw. Erzieherin. Ansonsten wurden Kinderpflegerinnen, Kinderkrankenschwestern, Praktikanten und eine nicht unerhebliche Zahl ohne jed­wede pädagogische Ausbildung beschäftigt.

Das niedrige Ausbildungsniveau wirkte sich negativ auf die Qualität der pädagogi­schen Arbeit aus. Die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen waren wenig attraktiv. Neben der eigentlichen pädagogischen Arbeit musste sie vielfach Verwaltungs- und Putzarbeiten leisten. Erzieherinnen wurden für die Vor- und Nachbereitung auch keine Entlastungsstunden gewährt – wie sie für Lehrer selbstver­ständlich sind. Die Leiterin war in der Regel vom Gruppendienst nicht freigestellt. Elternabende für alle Eltern waren höchst sel­ten, einen Elternbeirat gab es noch nicht, und die Beratung der Eltern beschränkte sich meist auf die Gespräche „zwischen Tür und Angel“ beim Bringen oder Abholen der Kinder. Einzelberatungen von Müttern durch die Leiterin waren auch eher die Aus­nahme. Ferner fehlten regelmäßige Fortbildungsveranstal­tungen, genauso Team­beratungen.

Die pädagogischen Vorstellungen damals waren bei Eltern und Erzieherinnen ande­re als heute. Allgemein erachtete man es als wichtig, dass Kinder gehorchen lernten und sich willig den Forderungen der Erwachsenen fügten. Hinzu kam, dass aufgrund der großen Kindergartengruppen ein strenger, oft auch autoritärer Erziehungsstil weit verbrei­tet war.

Die Anzahl der Kinder, die eine Kindergärtnerin zu betreuen hatte, ist mit heuti­gen Verhältnissen nicht vergleichbar. So kam zum Beispiel zum Jahresende 1950 in Ulm auf eine Betreuungsperson mehr als 32 Kinder. Noch im Jahr 1969 lag die durch­schnittliche Gruppenstärke bei 35 Kindern.“ (Barbara Pflugmann-Hohlstein 2012, S.45-48.)

Die 1970er Jahre: Paradigmenwechsel

Schon in den 1960er Jahren wurde in Fachkreisen und in Fachzeitschriften die Pädagogik des Kindergartens als nicht mehr zeitgemäß kritisiert. Zu einem Paradigmenwechsel, nach dem der Kindergarten als eine Stätte frühkindlicher Bildung und nicht mehr als sozialfürsorgerische Einrichtung bewertet wurde, kam es aber erst 1970 durch die Veröffentlichung des „Strukturplans für das deutsche Bildungswesen“, herausgegeben von der Bildungskommission des deut­schen Bildungsrates. In diesem wird zum ersten Mal die ge­sellschafts- und bildungspolitische politische Bedeutung der Frühpädagogik herausgestellt. Der Kindergarten, der bis dahin von der Bil­dungspolitik wenig beachtet wurde und als sozialfürsorgerische Einrichtung galt, wird nunmehr als unterste Stufe des Bildungswesens, also als eine Bildungseinrich­tung definiert.

Kritisiert wird in dem Strukturplan unter anderem der niedrige Ausbil­dungsstand der Mitarbeiterinnen in den Kindergärten. Ferner werden in diesem Gut­achten die professionellen Anforderungen an die Erzieherin sehr differenziert be­schrieben:

Die Erzieherin soll in der Lage sein,

  • den Entwicklungsstand des einzelnen Kindes zu beurteilen,
  • individuelle pädagogische Hilfen zu planen,
  • Gruppenprozesse zu beobachten und zu lenken;
  • didaktisches Material funktionsgerecht einzusetzen,
  • mit ausgearbeiteten Curricula umzugehen,
  • selbständig Pläne für die Programmgestaltung zu entwerfen,
  • den Erfolg ihrer Arbeit zu überprüfen,
  • mit behinderten u. benachteiligten Kindern verant­wortungsvoll umzugehen.

(vgl. Deutscher Bildungsrat (1970): Empfehlungen der Bildungskommission. Gutachten zur Erziehung im frühen Kindesalter. Bad Godesberg.)

Erstmals wird hier von Bildungspolitikern auf die Benachteiligung von Kindern aus sozial schwachen Familien im Bildungswesen hingewiesen, die durch eine frühzeiti­ge Förderung ausgeglichen werden müsste. Eine Aufgabe, an der Kindergärten und Schulen bis heute arbeiten. Insgesamt kann man sagen, dass der Strukturplan für die Entwicklung der Kindergärten vor allem für die Erziehungswissenschaftler und päd­agogischen Fachleute sehr wichtig war und dadurch der Entwicklung des Elementar­bereichs einen Schub gab. Ein entscheidender Schritt des Kindergartens auf dem Weg zur Bildungseinrichtung war hierdurch erfolgt.

Aber nicht nur pädagogische Fachleute, sondern auch viele Eltern vor allem aus dem akademischen Milieu waren sowohl mit dem unzulänglichen Angebot an Kin­dergartenplätzen, als auch mit der Pädagogik des Kindergartens unzufrieden. Ihre Kritik artikulierten sie in der sich bildenden antiautoritären Erziehungsbewegung. Sie demonstrierten für den Ausbau der Plätze in Kindertagesstätten, setzten sich für klei­ne Gruppen in Kindergärten und Grundschulen ein und gründeten die ersten von El­terninitiativen getragenen Kinderläden, die für großes Aufsehen sorgten. (Frankfurt 1967, Berlin und Stuttgart 1968 sowie an vielen anderen Universitätsstädten).

Auch wenn die Zahl der antiautoritären Kinderläden vergleichsweise ge­ring war, so beeinflussten sie dennoch nachhaltig die pädagogische Praxis in Kindergärten und die Erziehungsleitbilder vieler Familien. Die Historikerin Dagmar Herzog führt aus, dass die „mit der antiautoritären Kindererziehung zusammenhängenden Grundvor­stellungen die Fantasie weiter Kreise der Achtundsechziger Generation sowie viele Liberale aus der Elterngeneration an(regten). Die Bewegung veränderte nicht nur die in Kindergärten, sondern auch die in Grundschulen geübte Praxis in der Bundes­republik und beeinflusste in zahllosen Familien das Eltern-Kind-Verhältnis.“ (Her­zog 2005, S. 200)

Im folgenden nenne ich einige Aspekte dieser alternativen pädagogischen Praxis, die auf andere pädagogische Institutionen ausstrahlten. Nannten die Kinder in den Kindertagesstätten die Erzieherin meist „Tante“, also z. B. „Tante Inge“, so ließen sich in den Kinderläden die Erzieherinnen, die nunmehr „Be­zugspersonen“ genannt wurden, mit dem Vornamen anreden, um damit auszu­drücken, dass Erwachsene und Kinder sich auf gleicher Ebene begegneten. Das ist heute in vielen Kindertagesstät­ten üblich, jedoch glaube ich nicht, dass den Erzieherinnen der Zusammenhang zur antiautoritären Erziehungsbewegung bewusst ist.

Ähnliches gilt für das Lernen. In den Kinderläden verstand das Lernen als einen Aneignungsprozess, den die Erzieherinnen helfend und unterstützend begleiten soll­ten. Primär sollte das Lernen von den Fragen des Kindes ausgehen. Lernziele sollten nicht vorgegeben und die Lernprozesse nicht durch die Erzieherin gelenkt werden. Die Kinder sollten ihre Bedürfnisse frei äußern und selbst regulieren. Die Erzieherin­nen sollten daher möglichst nicht in Auseinandersetzungen in der Gruppe eingreifen. Dies veränderte die Rolle der Erziehe­rinnen in den Kinderläden grundlegend, ihre Aufgabe war es sich als „Bezugsperson“ den Kindern zur Verfügung zu stellen. Die Kinderläden versuchten neue Wege in der Erziehung zu gehen und verstanden ihre Einrichtungen auch als Experimente freier Erziehung. Aus der Sicht der damaligen Kindergärten erschien das Geschehen in den Kindergärten chaotisch und für die Kin­der befürchtete man das Schlimmste. Nun, das ist nicht eingetroffen, in der Mehrzahl haben sie als Erwachsenen ihren Weg gemacht, wurden Rechtsanwalt, Koch, Filme­macher, Künstler oder Eventmanager, um einige Beispiele zu nennen.

In der antiautoritären Erziehung kam der neuen Sicht des Verhält­nisses Kind-Er­wachsener besondere Bedeutung zu. Durch die Bil­dung von Kinderkollektiven sollte die Übermacht der Erwachsenen gemildert bzw. aufgehoben werden und damit dem Kind die Mög­lichkeit autonomen Handelns gesichert werden. Die Erwachsenen selbst – so lautete die Forderung – müssten sich verändern, wenn sie repressionsfrei mit Kindern umgehen wollten; dies sollte durch die ständige Reflexion des eigenen Verhaltens im Elternkollektiv be­wirkt werden.

Die Kinderläden waren für politisch interessierte Studierende und junge Pädagogin­nen und Pädagogen interessant und vor allem junge Männer waren durchaus von den Erziehungsexperimenten fasziniert. Das führte dazu, dass in den Anfangsjahren bis zu 20 Prozent Männer in den Kinderläden beschäftigt wurden. Prominentes Beispiel ist der heutige Europa-Abgeordnete der Grünen Daniel Cohn-Bendit, der Anfang der 1970er Jahre als Bezugsperson in einem Kinderladen arbeitete.

Zwar war die Bezahlung in den Kinderläden niedrig und lag z. T. unterhalb dessen, was Kinder­gärtnerinnen in Einrichtungen kommunaler oder freier Träger erhielten. Aber die Kindergruppen waren wesentlich kleiner – meist zwischen 12 und 15 Kin­dern – und es wurden Vorbereitungszeiten auf die Arbeitszeiten angerechnet. Neu wa­ren die re­gelmäßigen Elternabende, auf denen sowohl die pädagogische Konzeption als auch das Verhalten einzelner Kinder diskutiert wurde. Des weiteren bemühte man sich um die Partizipation der Kinder bei allen sie betreffenden Entscheidungen.

In der Nachfolge der antiautoritären Kinderläden bildeten sich Elterninitiativ-Kitas, das sind Tageseinrichtungen für Kinder, die sich in der Trägerschaft eines gemeinnüt­zigen Elternvereins befinden. Manche bestehen schon seit den 1970er Jahren. Bis in die Gegenwart hinein werden neue Elterninitiativ-Kitas gegrün­det, wobei sie viele Plätze für Kinder unter drei Jahren anbieten und damit an manchen Orten das einzige Angebot für diese Altersstufe sind.

Statistiken, aus denen die Anzahl der Elterninitiativ-Kitas und die von ihnen ange­botenen Plätze bundesweit ersichtlich sind, existieren nicht. Dass Elterninitiativ-Ki­tas in bemerkenswertem Umfang Betreuungsplätze anbieten lässt sich jedoch an der Anzahl der Elterninitiativen, die in den Dachverbänden Mitglieder sind, abschät­zen: Für das Jahr 2009 gaben die folgenden Dachverbände an, wie viele Elterninitia­tiven bei ihnen Mitglied sind.

Elterninitiativen in Dachverbänden

Verbände Anzahl der Einrich­tungen Anzahl der Plätze
Paritätischer Wohlfahrtsverband 1120 43.000
Bundesarbeitsgemeinschaft Elter­ninitiativen e.V 8500 150.000
Bundesverband der Natur- und Waldkindergärten 300 6.000

 

Quelle: Aden-Grossmann (2011): Der Kindergarten. Weinheim, S. 154

Kindergarten nach der Wiedervereinigung

Mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten begann auch ein neues, nunmehr gemein­sames Kapitel der frühkindlichen Erziehung. Ich möchte daher noch einen kurzen Blick auf die Entwicklung des Kindergartens in der DDR werfen. mit einem Rechtsan­spruch auf einen Kindergartenplatz für alle Kinder vom dritten Le­bensjahr an und vor allem aber einer zunehmenden Anerkennung des Kindergartens als Ort frühkind­licher Bildung.

In der Familienpolitik verfolgte die DDR gänzlich andere Ziele als die Bundesre­publik. Ihre familienpoliti­schen Maßnahmen zielten von Anfang an darauf hin, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermögli­chen. Folglich war es ihr Bestreben, für alle Kinder unter sechs Jahren Plätze in Ganztagseinrichtungen zu schaffen. In der DDR war die Berufstätigkeit der Frau und auch der Mütter er­wünscht, und jedes Kind hatte einen gesetzlichen Anspruch auf einen Platz in einer Tagesein­richtung. Mitte der 1950er Jahre standen ähnlich wie in der Bundesrepublik nur für jedes dritte Kind ein Platz in einer Kinderkrippe oder in einem Ganztagskindergarten zur Verfü­gung. Jedoch schritt der Ausbau zügig voran und Mitte der 1980er Jahre war das Ziel erreicht. Um den damit gestiege­nen Bedarf an Kindergärtnerinnen zu befriedigen, wurde die Zahl der Ausbildungs­plätze an Fachschulen erhöht und ein Fernstudium mit dem Abschluss als staatlich anerkannte Kindergärtnerin eingeführt.

Im Unterschied zur Bundesrepublik wurde der Kindergarten nicht der Jugendhilfe zugeordnet, sondern bildete die unterste Stu­fe des Bildungswesens. Offenbar stärkte die Zugehörigkeit zum Bildungswesen das Selbstwertgefühl der Erzieherinnen, denn sie fühlten sich in ihrem Beruf gesellschaftlich anerkannt.

Im Rahmen des Einigungsverfahrens wurde das Kinder- und Jugendhilfegesetz auf das Gebiet der ehemaligen DDR übertragen und trat dort bereits am 3. Oktober 1990 mit dem Tag der Wiederver­einigung in Kraft. Damit wurde auch in den neuen Bun­desländern der Kindergarten vom Bildungswesen abgetrennt und der Jugendhilfe zu­geordnet. Ich erinnere mich noch an etliche Gespräche mit Erzieherinnen, die dies als eine Herabstufung empfanden.

Gestiegene Anforderungen

Betrachten wir die Entwicklung seit 2000, so fällt sogleich ins Auge, dass sich die öffentli­che Wahrnehmung grundlegend geändert hat. Ob in der Kommunalpolitik oder in der Lan­des- und Bundespolitik die Belange der Kindertageseinrichtungen werden breit disku­tiert. Der Besuch des Kindergartens wird von fast allen Eltern be­fürwortet und gewünscht. Auch die Qualifikation der Mitarbeiter ist gestiegen, so dass heute alle eine fachliche Ausbildung haben, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Fortbildungen werden regelmäßig angebo­ten.

Die Anforderungen an die Erzieherinnen sind in den letzten Jahren gestiegen wie die folgenden Stichworte zeigen. Sie soll:

Anforderungen an die Erzieherinnen

  • die von den Ländern verabschiedeten Bildungspläne umsetzen,

  • Kinder mit Migrationshintergrund sprachlich fördern,

  • empathisch und beziehungsfähig sein,

  • fähig sein, im Team zu arbeiten,

  • Eltern beraten,

  • die Entwicklung der Kinder dokumentieren.

Auch die Anforderungen an Leiterinnen sind erheblich gestiegen. Sie sollten des­halb für diese Aufgaben freigestellt sein. Zu ihren Aufgaben gehören:

Anforderungen an die Leiterinnen

  • Kooperation mit Institutionen, Grundschule, Jugendamt, EB

  • Öffentlichkeitsarbeit (z. B. Homepage)

  • Führung von Mitarbeitergesprächen

  • Erstellung der Dienstpläne

  • Zusammenarbeit mit Eltern, Träger, Behörde (Kommune)

  • Aufnahme neuer Kinder

  • Erledigung div. Verwaltungsaufgaben, Anschaffungen

  • Erarbeitung der Konzeption in Zusammenarbeit mit den Erzieherinnen

  • Anleitung von Praktikanten

Angesichts der wachsenden Anforderungen an Erzieherinnen und Leiterinnen for­dert die Robert-Bosch-Stiftung eine Anhebung des Ausbildungsniveau für Erziehe­rinnen, dass an vergleichbare pädagogische Berufe, z. B. dem des Grund­schullehrers, angeglichen werden müsste. Daher fördert sie die Entwicklung von Curricula für neue Studiengänge an fünf Hochschulen.

So sind seit 2004 neue Studiengänge an Fachhochschulen und Uni­versitäten ent­standen, die ein auf die Pädagogik der frühen Kindheit spezialisier­tes Studium anbie­ten. Peer Pasternack, Direktor des Instituts für Hochschulforschung der Universität Halle, weist darauf hin, dass aus den Hochschulstudiengängen jähr­lich nur etwa 2.200 Absolventen hervorgehen, wohingegen jährlich knapp 17.000 Er­zieher/innen an den Fachschulen ihre Ausbildung abschließen. „Das heißt: Auf ab­sehbare Zeit ist nicht mit einem Systemwechsel zu rechnen. Die Fachschulen werden für längere Zeit die wesentlichen Lieferanten des Berufsnachwuchses für den früh­pädagogischen Be­reich bleiben“ (www.ErzieherIn.de vom1.3.2011). Abgesehen von der zu recht gefor­derten Anhebung des Ausbildungsniveaus besteht schon seit eini­gen Jahren ein ekla­tanter Fachkräftemangel.

„Wie geht’s im Job?“

Da stellt sich die Frage, wie es um die Berufszufriedenheit steht. Das deutsche Ju­gendinstitut hat 2007 im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft eine Unter­suchung durchgeführt und unter dem Titel „Wie geht’s im Job“ veröffentlicht. Dabei wurden knapp 2000 Erzieherinnen befragt. (Tabelle S. 37) Überwiegend unzu­frieden sind sie hinsichtlich der Höhe ihres Einkommens, mit den Aufstiegsmöglich­keiten und mit dem gesellschaftlichen Ansehen ihres Berufs.

Erzieherinnen nach ihrer Zufriedenheit

Unzufrieden

Teils, teils

zufrieden

Einkommenshöhe

53,70%

26,6

19,7

Aufstiegsmöglichkeiten

56,9

22,2

20,8

Arbeitsplatzsicherheit

26,8

24,8

48,5

Gesellschaftliches Ansehen

65,8

22,6

11,6

Dabei wurde festgestellt, dass das Einkommen im durchschnitt 2.100 €. „Damit lie­gen sie deutlich unter den Verdienstmöglichkeiten in anderen ‚Frauenberufen‘: So verdienen beispielsweise Bürofachkräfte durchschnittlich 2.600 €, Bankkauffrauen verdienen 2.900 und Einzelhandelskauffrauen 2.700 €. Lediglich Verkäuferinnen ver­dienen mit 1.900 € noch etwas weniger. Dementsprechend ist mehr als die Hälfte (53,7%) nicht mit der Höhe des Einkommens zufrieden. Insgesamt sehr hoch ist die Motivation sich fortzubilden, allerdings führen Zusatzqualifikationen nicht zu einer Verbesserung des Einkommens.

Die Untersuchung ergab, dass Erzieherinnen in ihrem Beruf überwiegend zufrieden sind. Dabei nennen sie im positiven Sinn:

Gründe für Berufszufriedenheit

  • Vielseitigkeit der Arbeit (Neues dazulernen, Wissen und Können voll einset­zen)

  • Handlungsspielräume (Arbeit selbständig planen, Einfluss auf Zuteilung der Arbeit)

  • Soziale Unterstützung (Verlass auf Kolleginnen/Leitung, Zusammenhalt in der Einrichtung)

  • Information und Mitsprache (Leitung berücksichtigt Ideen und Vorschläge, MA werden ausreichen informiert)

Die folgende Tabelle zeigt, welche Maßnahmen sich Erzieherinnen zur Verbesse­rung ihrer Arbeitssituation wünschen:

Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation

Mehr Vorbereitungszeit

65,20%

Mehr Personal

65,10%

Regelmäßige Supervision

37,00%

Ruhezonen für Kinder

33,10%

Mehr Fortbildungen

33,60%

ErwachsenengerechteMobiliar

28,00%

Bessere materielle Ausstattung

25,70%

KiTa-Studie der GEW: Wie geht’s im Job? Frankfurt, Oktober 2007, S. 45

Dass es vielen Erzieherinnen mit ihren Forderungen ernst ist, haben sie in den ver­gangenen Jahren durch Demonstrationen und Streik, für die auch Eltern Verständnis hatten, bewiesen. Dabei ging es natürlich um eine bessere Bezahlung, aber nach den Berichten zur urteilen, aber eine bessere Ausstattung mit Personal käme auch den Kindern zugute. Dass Er­zieherinnen bereit sind, offensiv ihre Interessen zu vertreten zeugt davon, dass ihr Selbstbewusstsein und ihr Selbstwertgefühl in gleichem Maß gewachsen ist wie die gesellschaftliche Anerkennung der Bildung und Erziehung in Kindertageseinrichtungen.

Literaturverzeichnis

Aden-Grossmann, Wilma (2011): Der Kindergarten: Geschichte – Entwicklung – Konzepte. Weinheim und Basel: Beltz.

Bowlby, John (1952): Maternal Care and mental healt : A report prep. on behalf of the World Health Organization as a contrib. to the United Nations programme for the welfare of homeless children. Genf: WHO

Deutscher Bildungsrat (1970): Empfehlungen der Bildungskommission. Gutachten zur Erziehung im frühen Kindesalter. Bad Godesberg.

Herzog, Dagmar (2005): Die Politisierung der Lust: Sexualität in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. München: Siedler.

Barbara Pflugmann-Hohlstein (2012): Kinderbetreuung gestern, heute, morgen. In:Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2012, S. 45-48

Helge Pross (1969): Bildungschancen von Mädchen in der Bundesrepublik. Frank­furt.

Internetseiten

www.ErzieherIn.de vom 1.3.2011