Prof. i.R. Dr. Wilma Aden-Grossmann „Rabenmütter“ oder der mühsame Weg zur Anerkennung mütter­licher Berufstätigkeit. Eine sozialethische Be­trachtung

Vortrag im Rahmen der öffentlichen Vortragsreihe „Ethische Aspekte aktueller Zeit­fragen“ der Hochschule Eßlingen, Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit & Pflege am 18. Oktober 2011

Sehr geehrte Frau Professorin Simon-Hohm, sehr geehrte Frau Professorin Maar, meine Damen und Herren, Kommilitonninen und Kommilitonen.

Ich danke den Veranstalterinnen dieser öffentlichen Vortragsreihe sehr herzlich für Ihre Ein­ladung. Wie bereits in den Jahren zuvor sind die Vortrags­themen breit gestreut zwischen unterschiedlichen Fachgebieten und ermöglichen damit einen interdisziplinären Austausch. Wichtig ist aber auch, dass hier die Möglichkeit be­steht, aktuelle ge­sellschaftspolitische Fragen aufzugreifen, was ich auch in meinem Vortrag über „Rabenmütter oder der mühsame Weg zur Anerkennung mütterlicher Berufstätigkeit“ beabsichtige.

Frauen haben heute die gleichen oder auch bessere Bildungsabschlüsse als Männer. Ihnen stehen so ziemlich alle Berufe offen. Diskutiert wird z. Zt. ob durch die Einführung von Quoten ihnen der Weg in die Chefetagen geebnet werden soll. Eine Frage, die politisch zwar heiß diskutiert wird, in der Realität nur für sehr wenige Frauen von Bedeutung ist. Es scheint also so, als hätten wir Frauen es geschafft, mit den Männern gleich zu ziehen. Betrachten wir allerdings die Löhne und Gehälter, so stellen wir fest, dass Frauen weniger verdienen als Männer in vergleichbaren Positionen, dass ihre Aufstiegschancen geringer sind als die der Männer. Von besonderer Tragweite für die Berufslaufbahn ist es, wenn eine Frau ein Kind bekommt und darum geht es in meinem Vortrag.

In meinem Vortrag werde ich im ersten Teil ganz kurz die Entwicklung der Frauenerwerbstätigkeit darstellen und sodann auf das Image der berufstätigen Mutter als „Rabenmutter“ eingehen. Sodann behandle ich die Frage, wie wird die Mütter-erwerbstätigkeit gesellschaftlich bewertet und dabei auch die gravierenden Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland in den Blick nehmen. Schließlich geht es im dritten und letzten Teil um die Auswirkungen der Mütter­erwerbstätigkeit auf die Entwicklung der Kinder.

Rabenmütter

Statistiken, aus denen der Anteil der erwerbstätigen Mütter hervorgeht, liegen erst in jüngster Zeit vor, da meist nur der Anteil der er­werbstätigen Frauen insgesamt erhoben wurde. Im ausgehenden 19. Jahrhundert betrug der Anteil berufstätiger Frauen etwa 25 Prozent. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stieg er auf etwa 35 %. Man kann also sagen, dass vor dem Zweiten Weltkrieg etwa ein Drittel der Frauen erwerbstätig waren. Während des Zweiten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit stieg der Anteil erwerbstätiger Frauen, da sie die Arbeit der Männer, die Soldaten waren oder sich in Kriegsgefangenschaft befanden, über­nehmen mussten. In den 1950er Jahren sank dann der Anteil erwerbstätiger Frauen wieder auf das Niveau der Vorkriegszeit.

Aufgrund des vorherrschenden Mutterbildes nach dem die Frau ins Haus und zu den Kindern gehört, wird die Erwerbstätigkeit von Müttern trotz vieler Fort­schritte in der Frauenpolitik eher negativ gesehen. Berufstätige Mütter werden oft als Rabenmütter bezeichnet, denn ihnen wird unterstellt, dass sie ihre Pflichten als Mütter vernachlässigten, dass sie also schlechte Mütter seien. Den Begriff der Rabenmutter bzw. der Rabeneltern gibt es nur im deutsch­sprachigen Raum. Wie tief das Bild der Rabenmutter in unserer Kultur verankert ist, macht das folgende Beispiel aus den Grimm’schen Märchen „Die weiße Schlange“ deutlich:

Der Weg führte in einen Wald, und da sah er (der Jüngling) einen Rabenvater und eine Raben­mutter, die standen bei ihrem Nest und warfen ihre Jungen heraus. »Fort mit euch ihr Galgen­schwengel!« riefen sie, »wir können euch nicht mehr satt machen, ihr seid groß genug und könnt euch selbst ernähren.« Die armen Jungen lagen auf der Erde, flatterten und schlugen mit ihren Fittichen und schrien: »Wir hilflose Kinder, wir sollen uns selbst ernähren und können noch nicht fliegen! Was bleibt uns übrig, als hier Hungers zu sterben!« Da stieg der gute Jüngling ab, tötete das Pferd mit seinem Degen und überließ es den jungen Raben zum Futter. Die kamen herbeigehüpft, sättigten sich und riefen: »Wir wollen dir’s gedenken und es dir vergelten!«

Nebenbei gesagt, stimmt es nicht, dass Raben ihre Jungen vernachlässigen; im Gegenteil, sie sind fürsorgliche Eltern und halten sich stets in der Nähe ihre Jungen auf, wenn sie – was gelegentlich geschieht, – vorzeitig aus dem Nest fallen. Eher könnte man den Kuckuck als Beispiel für Kindesvernachlässigung nehmen, denn er legt seine Eier stets in fremde Nester und überlässt anderen die Brutpflege und Aufzucht der Jungen.

Auch heute noch leiden berufstätige Mütter Vielfach unter Schuldgefühlen und stellen sich die Frage, ob sie sie trotzdem eine gute Mutter sind. Im Internet fand ich folgende Bemerkung einer Mutter, die mir typisch für die Gefühlslage vieler Frauen erscheint:

Um zu ermessen, welche Verbesserungen es für berufstätige Mütter seit den 60er Jahren gibt, möchte ich die damalige Situation kurz skizzieren. Die Möglichkeit einer Teilzeitstelle gab es für Beamte und viele Angestelltenberufe damals noch nicht. In den meisten Berufen galt die sechstage-Woche. Den Gewerkschaften ist es zu verdanken, dass sie mit dem Slogan „Samstags gehört der Papi mir“ erfolgreich die 5-Tage-Woche durchgesetzt hatten, so dass schließlich auch die Schule diesem Beispiel folgte. Dies erleichterte für alle Mütter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erheblich.

Eine große Hürde für Mütter, die in ihren Beruf zurückkehren wollten, war es, dass Plätze in Kinderkrippen und Kindergärten fehlten. Nur für etwa ein Drittel aller Kinder zwischen drei und sechs Jahren gab es Plätze in Kindergärten und der Versorgungsgrad mit Krippenplätzen war noch weitaus geringer und betrug nur etwa 6%. So entstand eine bedeutende Diskrepanz zwischen der Zahl der berufs­tätigen Mütter und denen, die sich zwar wünschten berufstätig zu sein, es aber wegen fehlender Betreuungseinrichtungen nicht konnten.
Daher war es all­gemein üblich, dass Studentinnen, wenn sie ein Kind bekamen, ihr Studium abbrachen und die meisten berufstätigen Frauen gaben mit der Ge­burt ihres ersten Kindes ihre Berustätigkeit dauerhaft auf. Das entsprach der ge­sellschaftlichen Tradition. Der gesellschaftlich Druck zu Hause zu bleiben, wurde dadurch noch verstärkt, dass die konservative Familienpolitik, insbesondere unter Familienminister Dr. Franz-Joseph Wuermeling einen Ausbau von Krippen- und Kindergartenplätzen ablehnte, weil sie der Müttererwerbstätigkeit Vorschub leisten würde. Wuermeling war Mitglied der CDU und Bundesminister für Familienfragen im 2., 3. und 4. Kabinett Adenauer. Er war selbst Vater von fünf Kindern und setzte sich energisch ür eine familienfreundlichere Politik und die Erhöhung des Kindergeldes ein. Aber er vertrat auch die Auffassung, dass die Mutter die Kinder betreuen sollte und dass der Kindergarten nur in Notfällen in Anspruch genommen werden sollte. Aufgrund dieser Position stagnierte der Ausbau der Kinderkrippen und der Kindergärten.

Bis in die Gegenwar hinein ist die Familienpolitik überwiegend am Modell der „Hausfrauenehe“ orieniert. Auf der Basis des Microzensus von 1991, 1996 und 2002 geben Kreyenfeld und Geisler einen Überblick über das Erwerbsverhalten von Müttern in Ost- und Westdeutschland.

In der ehemaligen DDR war eine hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen politisch gewollt und wurde durch einen Ausbau von Ganztagseinrichtungen gefördert. Im Unterschied dazu förderten die familienpolitischen Maßnahmen der alten Bundesrepublik die Pflege und Betreuungsarbeit in der Familie. Das schlägt sich auch in der unterschiedlichen Quote der Frauenerwerbstätigkeit nieder. In Ost­deutschland beträgt die Frauenerwerbsquote 73 Prozent (2010). Sie ist damit ähnlich hoch wie in den skandinavischen Ländern. In Westdeutschland beträgt sie ledig­lich 64 Prozent.

In der ehemaligen DDR war die Vollzeiterwerbstätigkeit für Frauen mit Kinder eine Selbstverständlichkeit. Parallel zum Ausbau des Kindertagesstättenwesens stieg der Anteil berufstätiger Mütter bis Ende der 1980er Jahre in der DDR fast ebenso viele Frauen wie Männer berufstätig waren. Im Unterschied dazu blieb der Anteil der in Vollzeit erwerbstätigen Frauen mit Kindern in der Bundesrepublik niedrig. Kreyenfeld und Geisler definieren den Umfang der Erwerbstätigkeit wie folgt:

Vollzeiterwerbstätige sind Personen, die … eine tatsächliche Arbeitszeit von mindestens 30 Stunden angeben. Teilzeiterwerbstätige sind Personen mit einer Arbeitszeit von 15 bis 29 Stunden,
geringfügig Beschäftigte sind Personen mit einem Wochenarbeitsumfang von 1 bis 14 Stunden.“ 1

Kreyenfeld und Geisler stellen fest, dass die Regelungen zum Erziehungsurlaub, das noch immer zu geringe Angebot an Ganztagsplätzen in Tageseinrichtungen für Kinder in steuer- und transferpolitische Rahmenbedingungen eingebettet sind, die das „Hausfrauenmodell“ ermöglichen. „Das ‚Ehegattensplitting‘ erlaubt ver­heirateten Paaren, ihre Steuern gemeinsam zu veranlagen. Auf Grund des progressiven Steuertarifs bieten sich die größten Steuervorteile für Paare, die das klassische „male breadwinner model“ leben oder solche, bei denen die Frau lediglich einen geringen Beitrag zum Haushaltseinkommen in Form von Teil­zeitarbeit leistet. Auch die Hinterbliebenenversorgung und die Mitversicherung der nichterwerbstätigen Ehefrau in der gesetzlichen Krankenversicherung sind wichtige Elemente in einem System, in dem die finanziellen Risiken der reduzierten Erwerbstätigkeit von verheirateten Frauen sozial abgefedert werden.“2

Die hier skizzierten familienpolitischen Rahmenbedingungen begünstigen neben der Hausfrauenehe vor allem die Teilzeitarbeit von Müttern. Kreyenfeld und Geisler stellten fest, dass Mütter vor allem in den alten Bundesländern ihre Berufstätigkeit zeitlich stärker beschränken als Mütter in den neuen Bundes­ländern. Dort ist der Anteil der in Teilzeit beschäftigten Mütter mit 21% nur halb so hoch ist wie in den alten Bundesländern, wo er 39 % beträgt. (Die Daten sind von März 2004.) Gleichzeitig lag die Vollzeitquote der Mütter im früheren Bundesgebiet mit 20 % deutlich niedriger als die von Müttern in den neuen Ländern und Berlin-Ost (48 %). Nach Kreyenfeld/Geisler ist in Westdeutschland die Zahl der erwerbstätigen Mütter zwar gestiegen, aber diese Steigerung sei vor allem auf die Zunahme geringfügig Beschäftigter zurückzuführen.

Eine weiterer Faktor, der die Berufstätigkeit von Müttern beeinflusst, ist die Zahl der Kinder. Zwischen Frauen mit einem oder zwei Kindern gibt es hinsichtlich des Erwerbsverhaltens keine nennenswerten Unterschiede. Wird jedoch das dritte Kind geboren, so scheiden die Mütter aus dem Beruf zumindest zeitweise aus.

Erwerbsbeteiligung

Einstellung der Mütter zur Erwerbstätigkeit

Obgleich es in der heutigen Zeit weniger Vorbehalte gegenüber berufstätigen Müttern gibt als früher, haben sie dennoch oft Schuldgefühle. Im Internet fand ich folgenden Beitrag einer berufstätigen Mutter:

Ob nun selbstständig oder angestellt, Voll- oder Teilzeit: Wir Mütter fühlen uns oft hin- und hergerissen zwischen Firma und Familie. Einerseits genießen wir es, wieder Anerkennung im Beruf zu finden und mehr soziale Kontakte zu haben. Gespräche zu führen, die sich nicht um frühkindliche Trotzphasen und gelungene Schulaufführungen drehen. Andererseits haben wir Schuldgefühle unseren Kindern gegenüber, weil es ihnen schaden könnte, dass wir nicht rund um die Uhr für sie da sind.“

Tabelle 1

Die selbstlose Mutter

Im Hintergrund der noch immer oft negativen Bewertung berufstätiger Mütter steht ein traditionelles Mutterbild. Elisabeth Badinter vergleicht in ihrem neuen Buch deutsche und französische Mütter und schreibt, sobald deutsche Frauen Mütter werden „verkümmert ihre Rolle als Frau oft … so weit, dass kaum mehr Platz für ihre persönlichen Interessen und Ambitionen bleibt. Die Frau tritt in den Hintergrund zugunsten der Mutter, die der wichtigste und natürliche An­sprechpartner des kleinen Kindes ist. Dieses fordert von der Mutter 24 Stunden am Tag unbedingte Aufmerksamkeit und Verfügbarkeit“ 3 Dieses Bild der selbst­losen Mutter, die rund um die Uhr für ihre Kinder sorgt und auf eine Berufstätigkeit verzichtet, ist vorherrschend in unserer Gesellschaft. In der Vergangenheit hat die Familienpolitik stets versucht, das Lebensmodell der Vollzeitmutter, die zumindest für einige Jahre auf Berufstätigkeit verzichtet, also die Hausfrauenehe, zu fördern. Ein Bei­spiel hierzu ist das Ehegattensplitting, nach dem steuerlich das Ehepaar gemeinsam veranlagt wird, unabhängig davon, ob Kinder vorhanden sind. Der steuerliche Vorteil kann bei Besserverdienenden dazu führen, dass Frauen überhaupt auf eine berufliche Tätigkeiten verzichten.

In die gleiche Richtung zielt das geplante Betreuungsgeld. Vor etwa einer Woche hat die Familienministerin Kristina Schröder ihr neues Konzept für das Be­treuungsgeld vor­gelegt, das ab 2013 für ein Jahr gezahlt werden soll. Im August 2013, wenn der Be­treuungsanspruch für einen Kitaplatz für Kinder ab einem Jahr realisiert wird, soll auch die Auszahlung des Betreuungsgeldes beginnen. Danach sollen alle Eltern jeden Monat 150 € dafür erhalten, dass die ihr Kind zu Hause behalten und nicht in eine Kinder­tagesstätte geben. Das Geld sollen auch jene Eltern erhalten, die stundenweise arbeiten und das Kind von der Oma oder einer dafür eingestellten Kinderfrau betreuen lassen.

Das Betreuungsgeld – auch polemisch „Herdprämie“ genannt, – rief nicht nur Zu­stimmung sondern vor allem Widerspruch hervor. So sieht die Rechtswissen-schaftlerin Margarete Schuler-Harms (FR vom 11.10.2011) darin „eine Rückkehr zu einem über­holten Modell der Familienförderung“, ferner zementiere es die ökonomische Abhängkeit der Frau vom Ehepartner“.

Ferner sind negative Auswirkungen im Hinblick auf Bildungsgerechtigkeit zu befürchten wie das Beispiel aus Thüringen zeigt.

In Thüringen gibt es seit 2008 ein Erziehungsgeld, das im Anschluss an das Bundes­elterngeld für 12 Monate gezahlt wird. Die Eltern können ihre Einnahmen aus dem Thüringer Erziehungsgeld selbst behalten und die Betreuung ihrer Kinder privat über­nehmen oder an einen Kindergarten ihrer Wahl weiterleiten (bis zur Höhe von 150 € pro Kind und Monat). In Thüringen machte man nun die Erfahrung, dass insbesondere Hartz IV Empfängerinnen und Migrantinnen ihre Kinder zu Hause betreuten. Jedoch gerade diese Kinder würden von dem Besuch einer Kindertagesstätte besonders profitieren. Aufgrund dieser Erfahrung änderte man das Gesetz, dahingehend, dass Eltern nun nicht mehr das Geld an die Kindertagesstätte weiterleiten müssen, wenn ihr Kind die Tages­einrichtungen nur bis zu fünf Stunden täglich besucht.

Wirkungen, das befürchten Bildungspolitiker, könnte das geplante Betreuungs-geld haben, für das sich die Familienministerin Schröder kämpft. Kristina Schröder hat selbst ein Kind und ist nur wenige Monate nach der Geburt ihres Kindes in ihr Amt als Familienministerin zurückgekehrt. Innerhalb der CDU ist das Betreuungsgeld sehr umstritten.

Auch wenn Frauen mit ihrer Lebenssituation als berufstätige Mütter zufrieden sind und sie beide Lebensbereiche, also den familialen und den beruflichen Bereich gut oder zu­mindest zufriedenstellend organisiert haben, so lauert doch im Hintergrund das Bild der „perfekten“ Vollzeitmutter und führt häufig zu einem schlechten Gewissen.

Die Gründe für die deutlichen Unterschiede in den Auffassungen zur Müttererwerbs­tätigkeit zwischen West- und Ostdeutschland, die Esther Geisler in ihrer Untersuchung feststellte, liegen in den gesellschaftspolitischen Orientierung der beiden ehemaligen deutchen Staaten. In der ehemaligen DDR war die Frauenerwerbstätigkeit politisch er­wünscht und wurde offensiv durch den Ausbau der Be­treuungseinrichtungen gefördert, wohingegen die konservative Familiepolitik der Bundesrepublik unter Adenauer und Kohl und vor allem unter durch den langjährigen CDU-Familienminister Wuermling (1953 – 1962) den Ausbau von Kinderkrippen und Kindergärten nicht förderte, um, wie es damals hieß der Müttererwerbstätigkeit keinen Vorschub zu leisten. Diese Einstellung wirkte noch lange nach und bewirkte, dass der Anteil berufstätiger Mütter in der Bundesrepublik über Jahre hinweg niedrig blieb. Anders hingegen verhielt es sich in der DDR. Dort stieg der Anteil erwerbstätiger kontinuierlich bis er 1989 fast das Niveau der Männer erreichte.

Esther Geisler hat eine vergleichende Untersuchung zur Erwerbstätigkeit von Müttern in Ost- und Westdeutschland durchgeführt und dabei auch die Einstellungen hierzu wie folgt ermittelt. „Im Jahr 1992 war etwas mehr als drei Viertel der Westdeutschen der Meinung, dass ein Kleinkind leidet, wenn seine Mutter berufstätig ist. In Ostdeutschland glaubten dies nur etwas mehr als die Hälfte der Menschen. Acht Jahre später, im Jahr 2000 stimmten immer noch 70 Prozent der Westdeutschen, jedoch nur 41 % der Ost­deutschen dieser Aussage zu.

Der Aussage „Es ist für alle Beteiligten viel besser, wenn der mann voll im Berufsleben steht und die Frau zu Hause bleibt und sich um den Haushalt und die Kinder kümmert“ … stimmten in Westdeutschland 1992 56% der Westdeutschen zu. In Ostdeutschland halten weniger als ein Drittel dieses Modell für vorteilhaft.“ 4 Auch wenn man danach fragt, ob die Berufstätigkeit der Mutter sich positiv auf die Entwicklung des Kindes auswirkt, zeigen sich starke Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland.

Während 71 % der Ostdeutschen glauben, dass eine berufstätige Mutter gut für ein Kind ist, sind nur 43 % der Westdeutschen dieser Meinung.

Dennoch scheint sich eine Veränderung in der Selbstwahrnehmung der „Rabenmütter“ abzuzeichnen, wie die folgende Äußerung zeigt: „Wir schätzen die Herausforderungen im Beruf. Unsere Selbstständigkeit hält uns geistig fit, macht uns selbstbewusst und fördert soziale Kontakte. Sie ermöglicht uns finanzielle Unabhängigkeit und ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben.

Unsere Partnerschaft ist weniger oder gar nicht durch Diskussionen über die Finanzen belastet. Im Fall einer Trennung müssen wir nicht dauernd mit dem Verflossenen über Unterhalt streiten und werden nicht vom Staat abhängig. Nicht zu vergessen: Wir können aus­reichend für das Alter vorsorgen.“

Dennoch scheint sich eine Veränderung in der Selbstwahrnehmung der „Rabenmütter“ sich abzuzeichnen, wie die folgende Äußerung zeigt:

Wir schätzen die Herausforderungen im Beruf. Unsere Selbstständigkeit hält uns geistig fit, macht uns selbstbewusst und fördert soziale Kontakte. Sie ermöglicht uns finanzielle Unabhängigkeit und ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben.

Unsere Partnerschaft ist weniger oder gar nicht durch Diskussionen über die Finanzen belastet. Im Fall einer Trennung müssen wir nicht dauernd mit dem Verflossenen über Unterhalt streiten und werden nicht vom Staat abhängig. Nicht zu vergessen: Wir können aus­reichend für das Alter vorsorgen.“

Angesichts der hohen Scheidungsraten kann man jeder Frau nur dazu raten, nicht auf eine Berufstätigkeit zu verzichten, sondern auf eine möglichst kontinuierliche Berufs­biographie zu achten. Auch im Interesse einer Gleichstellung der Geschlechter und einer gleichberechtigten Partnerschaft wirkt sich die Berufstätigkeit beider Eltern positiv aus. Ich verkenne nicht, dass dies nicht immer leicht und ohne Reibung und Stress zu realisieren ist, aber langfristig zahlt sich dies unbedingt aus.

Berufstätigkeit von Müttern und die Auswirkungen auf die Ent­wicklung von Kindern

Die Frage, ob sich die Berufstätigkeit von Müttern positiv oder negativ auf das Kind auswirkt, lässt sich so pauschal gestellt jedoch gar nicht beantworten, weil diese Variable nicht die einzige ist, die die Entwicklung des Kindes beeinflussen. Zu berücksichtigen wären u. a.

  • die Familienkonstellation (Eltern-Kind-Familie; Ein-Eltern-Familie; Patchwork-Familie)

  • die soziale Schicht und der kulturelle Hintergrund

  • die Qualität der Betreuungseinrichtungen bzw. der Betreuung

  • Erziehungshaltung der Mutter und

  • die Einstellung der Eltern zur Erwerbstätigkeit der Mutter

Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass es von großer Bedeutung ist, ob die Mutter mit ihrer Rolle zufrieden ist, sei es als Berufstätige oder als Vollzeitmutter. „Erlebt die Mutter ihre Berufstätigkeit als zufriedenstellend, dann ist das Verhältnis zum Kind „warmherzig“, ihre Erziehungspraktiken sind „gesund“. …. Ist der Beruf für die Mutter jedoch unbefriedigend, fühlt sie sich zur Arbeit gezwungen, dann tritt geradezu das Gegenteil ein: es gibt dann wenig positive Kontakte zum Kind, ihre Erziehungsweisen sind inkonsequent; das Kind wird vielfach mit Hausarbeit überlastet, muss mithelfen und reagiert auf all das häufig mit Trotz und Aggressivität.“5

Im Ergebnis ähnlich verhält es sich in Bezug auf die Hausfrauen: Jene, die mit ihrer Lebenssituation zufrieden waren unterschieden sich kaum hinsichtlich ihrer Beziehung zum Kind von den zufriedenen Berufstätigen. „Die weitaus ungünstigsten Erziehungs­haltungen waren bei den mit ihrer Rolle un­zufriedenen Hausfrauen anzutreffen. Hier wurde die größte Inkongruenz der Erziehungspraktiken feststellbar, das Vertrauensver­hältnis zwischen Mutter und Kindern war hier am meisten gestört, ebenso bestand bei den unzufriedenen Hausfrauen auch die grösste Rollen­unsicherheit in Bezug auf ihre mütterlichen Qualitäten. Sie berichteten häufiger als Erwerbstätige , dass ihre Kinder sie nervös machten.“ 6

Anmerkungen zur Retraditionalisierung der Mutterrolle

Zum Abschluss meines Vortrages möchte ich noch ein kürzlich erschienenes Buch vorstellen, das sich mit dem Trend der Retraditionalisierung der Mutterrolle befasst. Ihm liegt die Beobachtung zugrunde, dass immer mehr Mütter sich voll und ganz auf ihre Aufgaben als Mutter konzentrieren und dafür ihre Berufstätigkeit aufgeben oder zumindest stark reduzieren. Die Journalistin Bascha Mika hat eine Streitschrift verfasst mit dem provozierenden Titel

Die Die Feigheit der Frauen. Rollenfallen und Geiselmentalität. – Eine Streitschrift wider den Selbstbetrug“, erschienen im Bertelsmannverlag 2011.

Sie wendet sich in diesem Buch an die gut ausgebildeten Frauen, die die Chance haben, ihre beruflichen Vorstellungen zu verwirklichen. In einem Interview sagte sie: „Frauen verbauen sich viele Chancen, weil sie sich freiwillig unterordnen. Das geht schon sehr früh los, bereits zu Beginn einer Liebesbeziehung übernehmen sie häufig die Prioritäten ihrer Männer. Beispielsweise indem sie fast immer die größere Verantwortung für den gemeinsamen Haushalt schultern.“

Bascha Mika stellt die These auf, dass Frauen zu verzagt, zu harmonie- und liebebedürftig, dass sie schlicht zu feige seien, um ihre beruflichen Träume zu verwirklichen. Mika verkennt nicht, dass strukturelle Bedingungen es Frauen schwer machen, Beruf und Familie zu vereinbaren, aber sie gibt den Frauen auch ein gut Teil schuld daran, da sie zu wenig kämpferisch seien. Diese These, die sie in ihrem Buch entfaltet, illustriert sie mit zahlreichen Fallbeschreibungen. Ihr Ziel ist es, mit dieser Streitschrift erneute eine Debatte über die Gleichberechtigung in Familie und Beruf zu provozieren.

Wir müssen leider konstatieren, dass diese von ihr erwünschte Debatte ausgeblieben ist.

1Kreyenfeld/Geisler a. a. O., S. 343

2Kreyenfeld/Geisler: Müttererwerbstätigkeit in Ost- und Westdeutschland. In: Zeitschrift für Familien­forschung, 18. Jahrg., Heft3/2006, S. 333-360 337

3Elisabeth Badinter: Der Konflikt. Die Frau und die Mutter. München: C.H. Beck, 2010, S.9

4Esther Geisler: Müttererwerbstätigkeit in Ost- und Westdeutschland. Magisterarbeit Universität Rostock 2005, S. 56

5Ursula Lehr: Die Frau im Beruf. Eine psychologische analyse der weiblichen Berufsrolle. Frankfurt a.M.: Athenäum, 1969,S. 77 f

6a.a.O.